Lied vom Leben

Du sitzt auf einer Bank, Dein Leben neben Dir.
Du schaust so vor Dich hin
und dann, noch scheu zuerst, so von der Seite auf Dein Leben neben Dir.

Wie wirkt es Dir so fremd, so matt und müde auch.
Dir scheint, als litte es
an Narben immer noch
von frühster Kindheit her.
Und gestern schlug es sich den jüngsten blauen Fleck an einem dummen Ast.

Da willst Du weinen:
für Dein Leben neben Dir,
und heimlich denkst Du dann:

Lass gut sein, Leben, lass.
Du schaust - wie sitzt es da!
Die Hosen sind zu kurz,
die Ärmel viel zu lang
und eine Jacke trägt es: blass und abgewetzt.

Du wolltest es doch stolz, gewandt im Umgang und natürlich auch noch hübsch.
Da willst Du zanken mit dem Leben neben Dir.

Doch heimlich denkst Du dann:
Lass gut sein, Leben, lass. Nun siehst Du seinen Blick, den Schalk und etwas Mut. Was hat es alles vor:

Es möchte lesen, Tag für Tag, Regale voll, spazieren durch die Nacht, auf Berge steigen und
durch Steppen streifen, kühn im weissen Segelschiff den Stürmen trotzen, nur noch weise sein,
zuletzt ein Instrument mit viel Geduld noch lernen, Horn zum Beispiel oder auch Oboe, warum nicht?

Da zügelst Du es kaum, Dein Leben neben Dir,
und heimlich denkst Du dann:

Lass gut sein, Leben, lass.

Martin Banser

(für Sie ausgewählt von Sr. Chiara)
April 2013

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